Hey, erzähl mal!
Roli erklärt
Multiple Sklerose
Hallo liebe Kinder- Ich bins wieder Roland Rollstuhl!
Heute geht es um eine Krankheit, die sich auch „die Krankheit mit den 1000 Gesichtern“ nennt. Wieso das so ist, werde ich euch heute zusammen mit Doris erklären.
Wie beginnt es, wenn man an Multiple Sklerose erkrankt?
Auf einmal stimmt irgendwas nicht. Mama beginnt zu stolpern und zu stürzen, sie spürt ihr Bein nicht mehr so richtig. Oder sie hat plötzlich keine Kraft mehr in einer Hand. Oder Papa. Plötzlich kann er auf einem Auge nicht mehr richtig sehen. So könnte es jedenfalls beginnen… Danach geht es zu verschiedenen Ärzten; eventuell sogar ins Krankenhaus. Es ist eine Zeit, in der es zu Hause nicht so lustig ist wie sonst, in der die oder der Erkrankte sehr müde ist und vielleicht auch wenig Geduld für die Wünsche der Kinder hat. Die kranke Person fühlt sich nicht gut und hat Angst davor, was bei den Untersuchungen rauskommen wird. Dann kommt die Diagnose MULTIPLE SKLEROSE – kurz MS. Ein kompliziertes Wort für Kinder. Was aber dabei passiert, ist noch schwieriger zu begreifen. Wir versuchen es verständlich zu erklären. Zwei wichtige Begriffe müsst ihr dafür kennen: Nervensystem und Immunsystem.
Zuerst mal: Was ist das Nervensystem (Gehirn und Nerven)?
Unsere Nerven verbinden unser Gehirn mit dem Rest des Körpers. Dabei funktionieren sie ähnlich wie Schläuche, die außen eine Hülle haben, welche das Innere schützt. Nur fließt in ihnen kein Wasser, sondern „Information“ oder „Botschaften“ zwischen dem Gehirn und jedem anderen Teil des Körpers hin und her. Aber was ist damit gemeint?
Beispiele für : „Information“ oder „Botschaft“
Wenn deine Augen etwas sehen, fließt diese Information (zum Beispiel „roter Apfel“) durch die Nerven von den Augen zum Gehirn. Erst dann, wenn die Botschaft „roter Apfel“ im Gehirn angekommen ist, weißt du, dass da ein roter Apfel ist. Das geht natürlich blitzschnell.
Oder wenn du etwas fühlst (zum Beispiel „weich“, „glatt“, „warm“ oder „kalt“) wird diese Information ebenfalls durch Nerven von der fühlenden Hautstelle blitzschnell zum Gehirn geleitet. Und dann weißt du sofort: „weich“ oder „kalt“. Oder wenn deine Blase voll ist, kommt die Botschaft „volle Blase“ über Nerven zum Gehirn und du weißt: „Hoppla, ich muss aufs Klo!“. Umgekehrt sendet das Gehirn auch Informationen von sich weg. Diese sind immer an Muskeln gerichtet. Planst du zum Beispiel, etwas zu essen, so werden mehrere Informationen („Beweg dich!“) vom Gehirn gleichzeitig an verschiedenste Muskeln geschickt – an die Arm-, Hand-, Kau- und Zungenmuskeln. Diese gehorchen und machen alles, was zum Essen dazugehört (Besteck benützen, Essen zum Mund führen, Kauen, Schlucken…).
Als Zweites: Was ist das Immunsystem?
Das Immunsystem ist das, wozu wir auch gerne „Körperpolizei“ sagen. Das sind Zellen in unserem Blut, die fremde Eindringlinge (Bakterien und Viren) bekämpfen. Das Immunsystem ist also etwas Gutes und sorgt dafür, dass du schnell wieder gesund wirst, wenn du mal einen Schnupfen durch Schnupfenviren hast. Manchmal kann es aber auch passieren, dass unsere „Körperpolizisten“ sich auf einmal nicht mehr auskennen. Dann beginnen sie statt der bösen Eindringlinge plötzlich Teile des eigenen Körpers anzugreifen. Wenn sowas geschieht, nennt man das „Autoimmunkrankheit“.
Und nun noch: Was passiert bei der Multiplen Sklerose?
Multiple Sklerose ist eine Erkrankung des Nervensystems UND des Immunsystems. Bei der Multiplen Sklerose handelt es sich auch um eine Autoimmunkrankheit. Das heißt, die Körperpolizei attackiert unsere eigenen Nerven. Unsere lieben „Körperpolizisten“ sind auf einmal verwirrt! Sie gehen nicht nur auf Bakterien und Viren los, sondern plötzlich auch auf unsere eigenen „Nervenschläuche“! Sie fressen Löcher in die äußere Hülle der Schläuche! Das Immunsystem ist also etwas Gutes und sorgt dafür, dass du schnell wieder gesund wirst, wenn du mal einen Schnupfen durch Schnupfenviren hast. Manchmal kann es aber auch passieren, dass unsere „Körperpolizisten“ sich auf einmal nicht mehr auskennen.
Dadurch können Informationen nun nicht mehr so gut durchgeleitet werden und kommen nur noch teilweise an ihr Ziel. Es geht ein Teil der Botschaften auf dem Weg verloren, ähnlich wie bei einem löchrigen Schlauch. Bei dem kommt auch nicht das gesamte Wasser ans Ziel. Ein Teil des Wassers geht durch die Löcher verloren, der Rest strömt nur noch schwach aus dem Schlauch.
Aber: Wie wirkt sich das aus, wenn die Nervenhüllen Löcher haben?
Dazu kann es möglicherweise kommen: Probleme beim Sehen (ein roter Apfel wird nur noch hellrosa wahrgenommen), Gleichgewichtsprobleme (Schwindel), Gefühlsstörungen (man kann nicht mehr hart oder weich unterscheiden, wenn man tastet), Störungen bei der Blase (man muss schon aufs Klo, obwohl die Blase noch gar nicht voll ist), Lähmung (man kann ein Bein oder einen Arm nicht mehr so gut bewegen), Müdigkeit (weil es mit den kaputten Nerven Schläuchen für den Körper so anstrengend ist)
Wie könnt ihr Kinder eurem an MS erkrankten Elternteil helfen?
Verständnis und Ruhe. Wenn Mama oder Papa eine Pause braucht, sollte man versuchen nicht zu stören. Hilfe anbieten. Einfach fragen ob man helfen kann!
Und zum Schluss noch zwei wichtige Tipps für eure Eltern:
Reden! Kinder haben ein Recht auf die Wahrheit. Sie kommen damit zurecht, wenn man ihnen erklärt, warum dies oder das im Moment nicht geht. Man darf ihnen auch sagen, wenn man traurig ist oder Angst hat. Hilfe in Anspruch zu nehmen ist natürlich auch sehr vernünftig. Und, liebe Kids, traut euch auch zu fragen, wenn ihr was wissen wollt!
Liebe! Mit Liebe geht alles leichter. Kinder müssen wissen, dass sie geliebt werden, auch, wenn es Zeiten gibt, in denen man es nicht gut zeigen kann. „Ich hab dich lieb“ ist nun noch wichtiger!
(Text: Dr. Doris Weninger-Wailzer, Ärztin und MS-kranke Mama)